Die noch immer andauernde Corona-Pandemie sorgt dafür, dass der Unterricht an den Schulen nur unter Einhaltung strengster Sicherheits- und Hygieneaspekte abgehalten werden kann. Aus diesem Grund und auch, um noch die letzten warmen Sommertage bzw. die ersten frischen Herbsttage optimal nutzen zu können, verlegte man den Unterricht an der Höheren Landwirtschaftlichen Bundeslehranstalt St. Florian in ausgewählten Unterrichtsfächern nach draußen.
Beispielsweise übersiedelten die Schülerinnen und Schüler der HLBLA St. Florian im Biologieunterricht des 1. Jahrganges in die freie Natur, um sich mit dem Thema Pilze näher auseinanderzusetzen. Die im Volksmund bekannten „Schwammerl“ zählen zu den abwechslungsreichsten Organismengruppen auf unserer Erde, die uns in ihrer faszinierenden Vielfalt immer wieder ins Staunen versetzen. Um die Welt der Pilze im Biologieunterricht etwas besser kennenzulernen, wurden im 2a-Jahrgang Pilze am Schulgelände und in den Wäldern gesammelt und anschließend mit Fachliteratur bestimmt. Neben klassischen Speisepilzen, wie z.B. Eierschwammerl, Stein- und Birkenpilz, Champignon und Parasolpilz, entdeckten die Lernenden auch Giftpilze, beispielsweise den Knollenblätterpilz, den Fliegenpilz, Kartoffelboviste sowie Hexenröhrlinge. Zusätzlich zu den Bestimmungsübungen von diversen „Schwammerln“ waren auch die enorme Bedeutung der Pilze für die Land- und Forstwirtschaft als wichtige Bodenpilze wie auch als Schaderreger Themen im Unterricht.
Im Wahlpflichtfach Ökologie und Biodiversität ging es für die 3. Klassen in Form eines dislozierten Unterrichts ebenfalls hinaus in die Natur. Hierzu fand in den Donauauen in Asten eine Kartierung des Ökosystems statt. Der Lebensraum Auwald wurde im Zuge dessen untersucht und analysiert und die dort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten erhoben. Für die Florianerinnen und Florianer waren hierbei besonders die urigen Altarme mit dem hohen Totholzanteil interessant.
Auch der Pflanzenbau-Unterricht wanderte hinaus. Um den Schülerinnen und Schülern vom theoretischen Fachwissen auch Einblicke in die konkrete Praxis zu ermöglichen, wurden hierzu zunächst Bodenproben entnommen. Weiters wurden Zwischenfrüchte beurteilt sowie eine Spatendiagnose gemacht.
Die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklasse beschäftigten sich im Rahmen einer Exkursion mit dem Thema „Das Haus aus Strohballen“.
Ein Haus aufbauen und wieder rückbauen in nur zwei Tagen, ist das möglich? Während der Exkursion wurde dies nur mit den eigenen Händen im Zuge eines Strohbauhausworkshops in Abetzdorf (NÖ) bei der Firma Sonnenklee GmbH bewerkstelligt.
Die Strohballenbautechnik findet sich im neuen Lehrplan der HLBLA St. Florian, wie viele weitere neue Unterrichtsfächer zu speziellen landwirtschaftlichen Themenbereichen. Am 1. und 2. Oktober erlernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Unterricht, der in Form eines Workshops abgehalten wurde, diese Bautechnik. Der Strohballenbaupionier Virko Kade, der die Planung und Errichtung von bereits mehr als 40 Gebäuden in Strohballenbauweise im In- und Ausland fachlich betreute, leitete diese Veranstaltung.
Geschichte des Baumaterials Stroh
Der Strohbauexperte erklärte, dass der Beginn des Strohballenbaus mit der Verwendung dampfbetriebener Strohballenpressen einherging. Vor allem in Regionen der USA, wo es viel Getreide aber keine Wälder gab. Die dort noch existierenden Strohhäuser sind deutlich älter als 100 Jahre. In Europa steht das älteste Strohhaus seit dem Jahr 1921 südlich von Paris in Montargis, ergänzte Prof. DI Hohensinner, der viele Jahre im Bereich Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen Forschungsprojekte durchführte und bei der Zertifizierung des Baustoffs Strohballen maßgeblich mitwirkte und die Schülerinnen und Schüler in diesem Fach unterrichtet. Stroh als Baustoff geriet aber durch die aufkommende Beton- und Ziegelindustrie schnell in Vergessenheit. Jedoch gab es in den 1980er Jahren eine Renaissance. Und heute boomen Strohballenbauten in einigen EU Staaten, wie z.B. Frankreich und England.
Vorteile von Stroh
Gastgeber, Landwirt und Gesellschafter der Sonnenklee GmbH, Martin Matzenberger, betonte die Vorteile von Stroh, das als nachwachsender Rohstoff, so wie Holz, praktisch immer und meist auch regional verfügbar ist. Es weist eine positive CO2-Bilanz auf und ist ein Rohstoff aus der Landwirtschaft, dessen Wert und Möglichkeiten noch immer unterschätzt werden. Wird das Stroh mit dem richtigen Druck zu Ballen gepresst, so besitzen diese sehr gute Dämmeigenschaften (U-Wert zwischen 0,1 und 0,14 W/m2K). Strohballen erreichen auch ausgezeichnete Wärmespeicher- und Schallschutzwerte. Es erweist sich als schlecht brennbar. Weiters wird durch den diffusionsoffenen Wandaufbau in Verbindung mit Lehmputzen ein exzellentes Innenraumklima hergestellt. Da Stroh kompostierbar ist, entstehen deutlich niedrigere Entsorgungskosten als bei mineralischen oder erdölbasierten Baustoffen.
Durch den einfachen Aufbau eines Strohhauses ist die Beteiligung vom Bauherrn oder der Baufrau sehr gut möglich und erspart somit Kosten. Bei der richtigen Bauweise ist eine solche Konstruktion nahezu unbegrenzt haltbar und den Baustilen sind keine Grenzen gesetzt. Man spricht von lasttragender Bauweise, bei der die Ballen wie Ziegel im Verband gesetzt und dann mit Spanngurten komprimiert werden. Holzsteherkonstruktionen oder Mischvarianten aus beiden benötigen mehr Holz, ermöglichen aber die Errichtung höherer Gebäude. Bis zu 10 Stockwerken habe aktuell errichtete Wohnbauten in Frankreich.
Vom Fundament bis zum fertigen Rohbau in nur einem Tag
Nach einer Einführung in die Grundlagen der Strohballenbautechnik starteten die Schülerinnen und Schüler mit der Errichtung eines 40m2 großen, eingeschossigen Gebäudes unter der Leitung von Virko Kade. Als „Ziegel“ verwendeten sie zertifizierte Kleinballen der Sonnenklee GmbH mit besonders hoher Dichte. Einbauten für Tür- und Fensterstöcke, sowie die 4 Kanten an den Ecken des Gebäudes wurden mit Holzkonstruktionen errichtet. Mit einer speziellen Zugkonstruktion auf halber Gebäudehöhe können die statischen Eigenschaften der Strohballenwand wesentlich verbessert werden. Nach dem Erreichen der endgültigen Höhe wurde die Konstruktion mit Hilfe eines Ringankers und Spanngurten nachverdichtet. Dadurch erhält das gesamte Gebäude eine hohe Stabilität und Festigkeit. Damit war der Rohbau fertig. Mit der Montage zweier vorgefertigter Dachelemente eines Pultdaches wurde die kurze Bauphase abgeschlossen. Am zweiten Tag standen Verputzen mit Lehm und Beispielkonstruktionen mit Holzstehern am Programm. Am Ende wurde der lasttragende Strohballenrohbau wieder abgebaut. In einer Stunde war alles erledigt, ohne auch nur ein Kilogramm Abfall zu produzieren. Alle verwendeten Baustoffe und Materialien sind wiederverwendbar.
Wissen über ökologisches, zeitsparendes und gesundes Bauen mit Baustoffen aus landwirtschaftlichen Rohstoffen in Theorie und Praxis zählt ab sofort zum Wissen der Florianerinnen und Florianer.